Wie Künstliche Intelligenz UX-Design transformiert

Die Schnittstelle zwischen Artificial Intelligence (AI) und User Experience (UX) nimmt im Bereich der digitalen Gestaltung an Bedeutung zu. UX-Designer stehen vor der Herausforderung, AI nicht nur als Werkzeug, sondern als integrierten Bestandteil von kreativen Prozessen zu betrachten. AI Tools bieten zwei spannende Perspektiven für UX Designer: Erstens verändern sie die Interaktion zwischen Usern und Anwendungen und zweitens optimieren sie die eigenen Designprozesse. Doch welche Herausforderungen erwarten uns bei der Nutzung von AI? Welche Chancen und Grenzen ergeben sich? Und vielleicht die entscheidendste Frage: Kann AI jemals die Rolle des UX Designers vollständig ersetzen? Svenja Spannnagel, UX Designerin bei sovanta, nimmt uns mit in die Welt von AI & Design.

Evolution des User Interfaces  

Über 60 Jahre interagierten wir mit Computern durch sequenzielle Befehle: Wir geben einen Befehl ein, der Computer führt ihn aus. Wir geben den nächsten Befehl ein, der Computer führt auch diesen aus. Benutzer und Computer wechseln sich ab. Ein Befehl nach dem anderen. Dieses Paradigma hat die Computerwelt seither dominiert, sei es in den Befehlszeiten unter DOS oder auf unseren modernen Smartphones. Ein großer Vorteil dabei ist: nach jedem Befehl kann der User die Situation neu einschätzen und seine Befehle anpassen. Der User braucht noch nicht einmal ein genaues Ziel vor Augen zu haben, denn er kann sich schrittweise an die Lösung annähern.  

Heute teilen wir AI-Systemen meist mit nur einem Satz mit, was wir als Ergebnis haben wollen. Wie dieses Ergebnis erreicht werden soll, d.h. welche genauen Befehle bzw. Schritte der Computer dabei machen soll, geben wir nicht an. Statt schrittweisen Fortschritt sehen wir nur das generierte Ergebnis. Im allerbesten Fall wird dieses Ergebnis zu unserer Zufriedenheit sein. In den allermeisten Fällen bedarf es aber weiterer Anpassungen zum Verfeinern des Ergebnisses.  

Interaktion mit AI: Die Feinabstimmung aus UX-Sicht 

Jetzt wird es spannend aus UX-Sicht: Diese Runden der allmählichen Verfeinerung müssen wiederum über Interaktionen ablaufen – doch diese werden derzeit von den gängigen Tools kaum unterstützt. Natürlich kann man ein AI generiertes Ergebnis nun mithilfe von weiteren Prompts verfeinern, aber jeder der dies schon einmal gemacht hat weiß, wie mühselig das sein kann. Denn oft ist es gar nicht so einfach, sich korrekt auszudrücken. Wie Jakob Nielsen, einer der bedeutendsten UX Researcher treffend formulierte: „Tue was ich meine, und nicht was ich sage.“. Statt also im schlimmsten Fall in einen Dialog mit der AI zu gehen, in dem man aneinander vorbeiredet, ist es einfacher auf eindeutige Befehle zurückzugreifen. Und dies können klassische UI-Elemente wiederum sehr gut.   

Statt in einen Dialog mit der AI zu gehen, in dem man aneinander vorbeiredet, ist es einfacher auf eindeutige Befehle zurückzugreifen. Und dies können klassische UI-Elemente wiederum sehr gut. 
Svenja Spannagel
UX Designerin, sovanta AG

Ein Beispiel hierzu:
Angenommen man möchte ein Bild von einem Sonnenuntergang generieren. Das AI-System generiert daraufhin ein Bild, aber es entspricht nicht ganz den Vorstellungen – der Himmel hat nicht die gewünschten Farben. Man muss nun präzisieren, z.B.: „Füge mehr Orange und Rot in den Himmel ein.“ Das AI-Tool passt das Bild an, aber man ist immer noch nicht zufrieden mit den Farben – nun ist es zu rot geworden. Statt nun in die zuvor beschriebenen Dialog-Schleife zu verfallen, wäre ein simpler Schieberegler, mit dem man die Farbpaletten für den Himmel anpassen kann, eine einfache Lösung. Der Vorteil ist sofort klar: Schon während der User den Schieberegler bedient, werden die Änderungen auf dem generierten Bild sichtbar. 

Effizienzsteigerung in UX: Wie AI Tools den Designprozess transformieren 

Die Herausforderung einer guten User Experience wird in zukünftigen AI-Tools also auch in der Verschmelzung beider Paradigmen liegen. Gerade in Business Applikationen, in denen ein effektives und effizientes Arbeiten wichtig ist, werden UI-Elemente innerhalb von AI-Tools weiterhin eine wichtige Rolle spielen, da sie einfach und intuitiv zu bedienen sind. Die Unternehmen, die jetzt in User Research investieren, um hybride Benutzerschnittstellen mit einer hohen Usability zu entwickeln, werden zukünftig einen klaren Wettbewerbsvorteil haben.   

UX Design Podcast: Warum man auf UX Research in keinem Projekt verzichten sollte

Man liest es aktuell überall: Künstliche Intelligenz macht große Fortschritte und übernimmt zum Teil nun schon das Recherchieren, Schreiben und auch das Designen. Wofür braucht man dann einen User Interface …

Die gute Nachricht: Auch hierbei können uns AI-Tools unterstützen und sogar die Produktivität und Qualität der UX-Arbeit steigern. Ob und wie gut sie das können, hängt aber auch davon ab, in welcher Phase des Design- bzw. Entwicklungsprozesses man sich gerade befindet.

  • Im Requirements Engineering Prozess
    Wenn man User-Interviews durchführen möchte, kann ChatGPT sehr hilfreich sein bei der Erstellung und Überarbeitung von Interviewfragen.
  • Als Brainstorming-Buddy
    Hier wiederum können AI-Tools in kürzester Zeit beliebig viele Ideen generieren, die oft das gleiche oder sogar ein besseres Potenzial haben als unsere eigenen.
  • Beim Automatisieren von Aufgaben
    Zum Beispiel bei der Transkription und Synthese von Interviews können AI-Tools wie NEXT oder User Evaluation ein wahrer Segen sein, da die ansonsten sehr zeitaufwendige und vor allem mühselige Arbeit der Audio-Transkription innerhalb von ein paar Minuten erledigt wird.
  • In der Design- und Prototypphase
    Hier lassen sich Mockups auf Knopfdruck via Galileo AI oder uizard generieren. Lorem ipsum Texte gehören der Vergangenheit an und langweilige Stock Bilder haben dank Midjourney längst ausgedient.   

Brauchen wir dann zukünftig überhaupt noch UX Designer? 

Die Antwort ist ein klares ja, denn AI kann nicht all unsere UX-Probleme lösen. Es gibt nicht die eine perfekte AI. Natürlich, AI Tools können UX Designer in ihrem Prozess unterstützen, aber es ist immer noch die Aufgabe des UX Designers, das passende AI Tool je nach Use Case auszusuchen. Und selbst wenn das richtige Tool genutzt wird, können die Ergebnisse oftmals nicht 1:1 übernommen werden. In den allermeisten Fällen muss der erzeugte Output überprüft, überarbeitet oder verfeinert werden. Und das können nur UX Professionals, weil sie die Experten sind.   

Letztlich schaffen wir Erlebnisse für Menschen und sollten daher sicherstellen, dass nur Tools verwenden werden, die nutzerzentrierte Erlebnisse und nicht technikzentrierte Erlebnisse schaffen.
Svenja Spannagel
Ux Designerin, sovanta AG

So muss ich als UX Designer beispielsweise bei der Generierung von Interviewfragen durch ChatGPT entscheiden, welche der zur Auswahl stehenden Fragen überhaupt richtig und wichtig sind. Bei der Transkription von Interviews durch eine AI muss ich den Text weiterhin gegenlesen und auf inhaltliche Korrektheit prüfen. Nicht selten zeigt sich dabei auch eine Schattenseite von AI: Sie fängt an zu halluzinieren. Und kann dabei gefährlich überzeugend sein. Wie gefährlich, zeigen Tools wie Synthetic Users, bei denen anstelle von echten Benutzern nur noch eine AI befragt wird. Natürlich können die Ergebnisse keine tiefen Erkenntnisse über das Verhalten oder die Motivation der Zielgruppe liefern, denn die AI wurde mit Daten trainiert, die sehr wahrscheinlich nicht deckungsgleich zu denen der User sind. Im schlimmsten Fall aber werden dadurch schädliche Stereotype generiert.  

Fazit: Die Mischung aus Mensch und AI machts

Deshalb ist es nach wie vor sehr wichtig, sich auf ein user-centric Toolkit zu konzentrieren und weiterhin mit echten Usern zu sprechen. Soft Skills und das Verstehen von menschlichen Emotionen sind nach wie vor von großem Wert, und das können wir Menschen immer noch viel besser als Computersysteme. AI Tools können uns eine Fülle von Ideen liefern, nach denen wir in z.B. einem Usability-Test suchen sollten, aber sie kann nicht vorhersagen, was die User tatsächlich tun werden. Denn Menschen sind nun einmal sehr unberechenbare Wesen. AI wird immer nur eine Teillösung sein, die uns als UX Designer jedoch deutlich effizienter und produktiver macht. Und das ist wunderbar, denn der Bedarf an UX-Arbeit ist groß, vor allem bei Business Applikationen im SAP-Umfeld.  

Svenja Spannagel
Senior UX Designer / Senior UX Research Expert

Ihr Kontakt

Svenja Spannagel ist mit ihrer Expertise in Kommunikationswissenschaften maßgeblich für UX Research-Methoden wie das UX Audit by sovanta verantwortlich.
Tags
sovanta Artificial Intelligence UX Design